Sonntag, 21. August 2016

Proteine in der veganen Ernährung

„Eine typische (…) Zelle besteht etwa zur Hälfte ihres Trockengewichts aus Protein“ (Leitzmann and Keller 2013, p. 270).



Wir bestehen in etwa aus 100 Billionen Zellen. Der menschliche Organismus ist dementsprechend darauf angewiesen, Eiweiße (Proteine) aus der Nahrung aufzunehmen, um die große Masse an eigenem Protein erhalten zu können. Zudem sind Proteine wichtig für die DNA, die Reizleitung der Nerven und viele weitere Funktionen im Körper (ebd.).

Proteine können sowohl aus tierischen als auch aus pflanzlichen Nahrungsmitteln bezogen werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob deren Bioverfügbarkeit und Wertigkeit für den menschlichen Körper gleichwertig ist. In der wissenschaftlichen Literatur kann man bereits 1994 lesen:

„(…) wir schlussfolgern, dass sich Konsumenten keine Sorgen über einen Aminosäuren [Protein] Mangel machen müssen, selbst wenn ihre Versorgung nur durch pflanzliche Proteine geschieht. Ein Mix aus verschiedenen pflanzlichen Proteinen ist adäquat für eine gesunde Diät (…) (Young and Pellett 1994, p,1211S)

Trotzdem wird in Empfehlungen häufig davor gewarnt als Veganer/in zu wenig Protein zu konsumieren. Warum?

Wenden wir unseren Blick, bevor diese Frage beantwortet wird, den positiven Eigenschaften von pflanzlichen Proteinen zu.


Gesunde Knochen und Protein


Proteine sind für die Stabilität unserer Knochen wichtig. Doch welche Mengen sind gesund?

Forscher wie Lanham-New und Lee unterscheiden nicht zwischen pflanzlichem und tierischem Protein, sondern gehen davon aus, dass die Menge an sich ausschlaggebend ist. Gleichzeitig schreiben sie Gemüsen und Früchten bei Verzehr einen für die Knochenstabilität gesundheiterhaltenden Effekt zu:

Die Auswirkungen einer diätischen veränderten Protein Zufuhr auf die Knochen (ob in pflanzlicher oder tierischer Form) wird kontrovers diskutiert: Die Ergebnisse sind unklar (…) sowohl eine zu hohe Protein Konsumation [z.B. bei Sportler Diäten] (…) als auch eine zu niedrige (…) zeigten negative Auswirkungen. Es gibt eine wachsende Evidenz aus verschiedenen Studien, dass sich der Verzehr von Früchten und Gemüse positiv auf die Gesundheit der Knochen auswirkt (Lanham-New, Lee et al. 2007).


Und auch einige Jahre zuvor zeigten Sellmeyer et al. Forschungsergebnisse, die diese Annahme bestätigen würden:

Ältere Frauen, die im Verhältnis mehr tierisches als pflanzliches Protein zu sich nehmen, verlieren schneller Knochenmasse am Oberschenkel und haben ein höheres Risiko eines Bruches, als solche bei denen das Verhältnis geringer ist. Deshalb nehmen wir an, dass eine Erhöhung des Verzehrs von pflanzlichem Protein und eine geringere Einnahme von tierischem den Verlust an Knochenmasse und das Risiko einer Hüftfraktur vermindert (Sellmeyer and Stone et al. 2001, p. 118).


Mehr pflanzliche Proteine als tierische zu konsumieren trägt also zu einer guten Gesundheit der Knochen bei. Doch wie verhält es sich, wenn wir ausschließlich pflanzliche Proteine konsumieren?


Kann unser Protein Bedarf aus rein pflanzlichen Quellen gedeckt werden?


Jesudason und Clifton vergleichen 2011 sechs verschiedene Studien und kommen zu folgendem Ergebnis:

Alle Proteine, ob aus pflanzlichen Quellen, Milch oder Fleisch, unterstützen die Gesundheit unserer Knochen. Die Überlegenheit einer dieser Protein Quellen über eine andere ist viel mehr von anderen Komponenten einer Diät abhängig, wie zum Beispiel dem Verzehr von Calcium, sowie Früchten und Gemüsen, als von Charakteristiken der Proteine selbst. Es gibt nicht genügend Nachweise um zu bestätigen, dass eine Protein Quelle (Soja, Milch etc.) besser sei als eine andere (Jesudason and Clifton 2011).

Hier werden also sowohl pflanzliche als auch tierische Proteine als gute Bezugsquellen dargestellt
und Trotzdem äußert sich die American Society of Nutrition 2011 wie folgt dazu:

Der Protein Gehalt von Nahrungsmitteln variiert beträchtlich, generell kann jedoch gesagt werden, dass tierische Quellen sowohl in ihrer Protein Qualität als auch in der Quantität zu bevorzugen sind (Watford and Wu 2011, p.62).

Sollten pflanzliche Proteine eine weniger gute Qualität und Quantität hinsichtlich ihres Nutzens für den menschlichen Körper haben, treten dann bei sich vegan ernährenden Menschen häufiger Proteinmangelerscheinungen auf?

Leitzmann und Keller haben verschiedene Studien bezüglich der Energieaufnahme durch Protein bei einer veganen Ernährung verglichen und sind zu dem Ergebnis gekommen:

„(…) bei einer veganen Ernährungsweise ist eine bedarfsdeckende Proteinzufuhr gut umzusetzen. Allerdings erreicht ein Teil der Veganer (!), insbesondere wenn die Nahrungsenergieaufnahme zu niedrig ist, nicht die empfohlene Proteinzufuhr“ (Leitzmann and Keller 2013, p. 274).

Die Betonung liegt hier bei dem Wort "Nahrungsenergieaufnahme".

Die Problematik liegt weniger in der Bezugsquelle der Proteine (pflanzlich oder tierisch) sondern viel eher darin, dass manche Veganer/innen insgesamt zu wenig Nahrungsenergie aufnehmen und dadurch auch die Wahrscheinlichkeit eines Proteinmangels steigt. In der Deutschen Vegan Studie erreichten 31 % der Männer und 41 % der Frauen nicht die empfohlene Proteinzufuhr.

Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt erwachsenen Menschen 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht am Tag aufzunehmen (siehe Link unten).

Zudem haben Proteine unterschiedliche Aminosäuremuster. Eine Auswahl an verschiedenen pflanzlichen Proteinen verbessert die Proteinqualität und erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit alle für uns essentiellen Aminosäuren aufzunehmen (Leitzmann und Keller 2013).

Wie also sollten sich Veganer und Veganerinnen ernähren, um genügend Proteine zu konsumieren?


Man kann die Empfehlungen für die Protein Aufnahme durch pflanzliche Quellen erfüllen, wenn eine Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln konsumiert wird. Die Forschung zeigt, dass eine Auswahl an diversen pflanzlichen Produkten, die im Laufe des Tages verzehrt werden alle notwendigen Aminosäuren bereitstellen (…) (American Dietetic Association 2009, p 1267f).

Um einen adäquaten Protein Status zu erhalten sollten [Veganer] verschiedene Proteine innerhalb diverser Mahlzeiten über den Tag verteilt konsumieren (Young and Pellett 1994, p. 1210S).

Ich fasse also zusammen:

Es besteht ein Risiko bei einer zu geringen Aufnahme an Energie auch zu wenig Protein aufzunehmen. Es sollte also einfach bewusst eine ausreichende Menge an Nahrungsenergie und dadurch auch Protein verzehrt werden.
Zudem bestehen unterschiedlichen Proteine aus unterschiedlichen Aminosäuren. Um eine bessere biologische Wertigkeit zu gewährleisten sollten wir, wenn wir unsere Proteine aus rein pflanzlichen Quellen aufnehmen wollen, verschiedene Proteinquellen nutzen und diese über den Tag verteilt konsumieren.

In fast allen Gemüsen und Früchten ist ein bestimmter Teil an Protein vorhanden, vegane Lebensmittel, die im Verhältnis mehr Protein enthalten sind zum Beispiel:

- Sojabohnen
- Kidneybohnen
- Mungbohnen
- Mandeln
- Kichererbsen
- Amaranth
- Quinoa

Quellen:


American Dietetic Association (2009). "Position of the American Dietetic Association: Vegetarian Diets." Journal of the American Dietetic Association 109(7): 1266-1282.

Lanham-New, S. A., W. T. K. Lee, et al. (2007). "Is Vegetable Protein More Beneficial to Bone Than Animal Protein?" International Congress Series 1297(0): 310-318.

Leitzmann, C. and M. Keller (2013). "Vegetarische Ernährung." Verlag Eugen Ulmer KG.

Sellmeyer, D. E., K. L. Stone, et al. (2001). "Dietary Ratio of Animal to Vegetable Protein and Rate of Bone Loss and Risk of Fracture in Postmenopausal Women." The American Journal of Clinical Nutrition 74(3): 411-412.

Watford, M. and G. Wu (2011). "Protein." Advances in Nutrition 2(1): 62-63.

Waldmann A, Koschizke JW, Leitzmann C, Hahn A (2003): Dietary intakes and life-style factors of a vegan population in Germany: results from the German vegan study. Eur J Clin Nutr 57 (8), 947-55

Young, V. R. and P. L. Pellett (1994). "Plant Proteins in Relation to Human Protein and Amino Acid Nutrition." The American Journal of Clinical Nutrition 59(5): 1203S-1212S.

https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein/

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